Fröhliche Weihnachten mit frechen Kerlen

Männer zu verschenken!

Weihnachten ist das Fest der Liebe, und dieses Buch macht Lust darauf… Es sind Geschichten von verführerischen Nikoläusen und frechen Engeln, die sich an Heiligabend so richtig verwöhnen lassen.

Leseprobe von Nicole Amrein
Oh, du heilige Schweiegermutter!
Udo, mein Verlobter, ist Arzt – und leider nicht als Vollwaise zur Welt gekommen. Mir ist klar, andere Männer haben auch Mütter, aber Olga ist mehr als eine Mutter, sie ist eine Aufgabe. Und dass sie zusammen mit ihrem Mann, dem nimmersatten Karl, die Altbauwohnung neben uns bewohnt, trägt nicht gerade zur Entspannung unseres Verhältnisses bei. Ich wäre ja längst aus ihrem Dunstkreis weggezogen, aber Udo kann sich einfach nicht lösen. Er mag es halt, wenn ihm die Mama mit 39 noch die Unterwäsche kauft und die Hosen bügelt, weil ich ja angeblich keine gescheiten Bundfalten hinkriege. Sowieso: Falls ich in meinem bisherigen Leben überhaupt je mal etwas richtig gemacht haben sollte, dann muss das vor meiner Zeit mit Udo gewesen sein. Denn grundsätzlich gibt es nur eine Sache, die ich laut Olga einigermassen auf die Reihe kriege – die Weihnachtsgans. Das war’s dann auch schon. Den liebevoll geschmückten Tannenbaum will ich lieber gar nicht erwähnen, den findet Olga aus Prinzip furchtbar kitschig und schrecklich überladen. Dass ich aber an ihren selbstgebackenen Zimtsternen schon mehrmals beinahe erstickt wäre, kümmert niemanden, Udo zuletzt. Er würde nie einen Stern anzweifeln, den seine Mama für ihn vom Himmel geholt hat. Und natürlich nimmt mein Verlobter auch die verschlüsselten Weihnachtsbotschaften nicht wahr, die Olga mir während unseres trauten Beisammenseins mit Engelsstimme beschert und die mich regelmässig an der Heiligkeit des Abends zweifeln lassen. Nein, ich bin nicht überempfindlich. Selbst wenn Udo mir die Schuld daran gibt, dass die familiäre Eintracht alljährlich nach der obligaten Geschenkübergabe eskaliert. Mamas Liebling kriegt schliesslich auch kein Silberputzmittel mit roter Masche überreicht – und schon gar keine aufhellende Zahnpasta für starke Raucher… Ich finde ja, wir sollten Weihnachten aus Gründen der Nächstenliebe vom Pflichtprogramm streichen. Doch mit dieser Ansicht stehe ich in etwa so alleine da, wie die heiligen drei Könige vor dem Osternest. Immerhin sind Olga und Karl heuer schon dreizehn Minuten im Verzug. Das ist mehr, als ich mir zum Feste je zu wünschen gewagt hätte: 780 Sekunden Ruhe. Es lebe die Besinnlichkeit! Die Hoffnung wächst, dass dies die erste stille Nacht wird, seit Udo und ich zusammen leben. Ich lasse vorsichtshalber schon mal den Champagnerkorken knallen. «Udo, lass uns feiern!» «Bist du wahnsinnig? Die Flasche habe ich für Silvester gekauft!» Wir stehen uns im Wohnzimmer gegenüber, ich im weiten Schwarzen, er im züchtigen Zweireiher mit weisem Hemd. Das einzige, was hörbar knistert, sind die dürren Tannenzweige, die ich auf dem Esstisch zwischen die Kerzen gelegt habe. «Udo, kann es sein, dass du die falschen Messer aufgedeckt hast?» «Ich?» «Ja, du. Wir essen Fisch.» «Keine Gans?» Nein, eine Gans am Tisch reicht. «Du spielst doch nicht etwa auf meine Mutter an?» Sag bloss, du kennst noch einen anderen Weihnachtsvogel mit Namen? Udo meint, ich sei unmöglich. «… und sowieso, warum gibt’s keine Weihnachtsgans?» Weil ich Rindvieh in den letzten Tagen einfach zu viel um die Ohren hatte. Vielleicht erinnerst du dich ganz schwach daran, dass ich neben meiner herausfordernden Tätigkeit als deine Putz-, Wasch- und Kochfrau auch noch einen klitzekleinen Hundertprozent-Job zu erledigen habe. «Aber die Gans – Mama mag sie doch so gerne…» Pech gehabt! Schottischer Lachs, direkt aus dem Feinkostladen importiert, ist für ihre erhöhten Cholesterinwerte sowieso viel besser. «Mama ist aber kerngesund.» Ein Umstand, der mich für die nächsten Feiertage nicht besonders zuversichtlich stimmt. «Warum bemühst du dich nicht wenigstens ein klein Bisschen?» Ich soll mich bemühen? Und in welche Schublade ordnest du, bitte schön, die Tatsache ein, dass ich seit heute in der Früh in der Küche stehe, mir beim Zwiebeln schneiden die Finger blutig gehackt, mich am Kapernglas geschnitten und schliesslich auch noch die Haare in den Mixer gebracht habe, weil sich das Eiweiss fürs Eisparfait partout nicht schaumig schlagen lassen wollte? Hypersensibel. Udo nennt mich tatsächlich hypersensibel. Und das just in dem Moment, wo es gleichzeitig an der Türe und am Telefon klingelt. Ein Notfall – Udo muss ins Krankenhaus. Blinddarm im Endstadium. Er zieht sofort ab. Zurück bleibt eine heitere Dreierrunde bestehend aus Olga, Karl und meiner unzulänglichen Wenigkeit. Während Karl noch vor dem Festschmaus sämtliche Schokoladenkugeln vom Bäumchen frisst und dann am zweiten Weihnachtsfeiertag wieder über Verstopfung klagt, halte ich mich am Inhalt der Champagnerflasche fest und höre mir an, was Olga Hübsches über den Weihnachtsmann zu erzählen weiss. «Anzeigen sollte man ihn! So ein Schurke! Hat mir heute doch tatsächlich den Parkplatz vor der Nase weggeschnappt und mir dann obendrein noch den Stinkfinger gezeigt. Sag, mein Kind, ist das nicht unerhört?» Wenn ich in dieser feuchten Stunde überhaupt etwas unerhört finde, dann höchstens die Tatsache, dass Olga mich in Ermangelung ihres Sohnes «mein Kind» nennt – und dass die Champagnerflasche zu meinen Füssen bereits zu drei Dritteln leer ist. «Bestimmt war es derselbe Weihnachtsmann, der uns im letzten Jahr diesen vergifteten Christstollen vor die Tür gelegt hat.» Der Christstollen war definitiv nicht vergiftet, da waren bloss ein paar Prisen Abführmittel mit eingebacken. Ich muss es ja schliesslich wissen… «Ich ahne übrigens, wer der Weihnachtsmann ist.» Das glauben viele, obwohl die meisten von ihnen wesentlich jünger sind als du, Olga. «Er wohnt auf der anderen Strassenseite. Siehst du die Lichter dort drüben im zweiten Stock?» Nein, ich mag mich jetzt nicht aus meinem Ohrsessel erheben. Aber lass gut sein, ich kenne ihn. Er heisst, so glaube ich, irgendwie Meier-Müller oder Müller-Meier und lebt trotz Doppelnamen allein. übrigens ein ziemlich nettes Exemplar Mann, hat mir sogar schon die Einkaufstüten in die Wohnung getragen. Und er sieht obendrein auch noch gut aus! «Er hat bestimmt keine Arbeit. Sitzt immer bis spät in die Nacht vor dem Fernseher, während rechtschaffene Leute längst schlafen…» Und weshalb bist du dann noch wach? «Er ist mit Sicherheit ein Ganove. Karl sagt, die meisten Weihnachtsmänner seien suspekt, weil verkleidet. Und mein Karl muss es ja schliesslich wissen – als Polizeioberwachtmeister im Ruhestand. So sag doch auch mal was, Karl!» «Mmh» brummt Karlchen, der Ganovenschreck, hinter seinem Stoppelbart hervor. «Hat’s vielleicht noch ein paar vorrätige Schokokugeln in der Küche?» Nein, aber Apéro-Gebäck. Selbstgemacht und garantiert ohne abführende Wirkung. Mögt ihr? «Aber sicher doch!» Olga mag immer alles, was ihr keinen Aufwand beschert und sie nichts kostet. So habe ich wenigstens einen Grund, mich mitsamt meiner Promille in die angrenzende Küche zurückzuziehen und mich im Stapeln von brüchigen Blätterteigstengeln zu üben. Die Angebrannten unten, die kaum gebackenen ganz oben – und jeder dritte Stengel verschwindet in meinem Schlund. Olga flüstert derweilen im sakralen Beschwörerton auf ihren Gatten ein. Ich höre bloss etwas von «ungepflegt» und «hässlich». Ehrlich gesagt, ich habe nichts anderes erwartet, als dass die Alte über mich herzieht, sobald ich ihr den Po zuwende. Da halte ich mich doch besser an die Schneeflocken, die in grösster Gelassenheit vom Himmel fallen – und an den mir freundlich zuwinkenden Nachbarn von gegenüber. Na, Herr Müller-Meier, auch in der Küche? Er nickt heftig. So heftig, dass ihm beinahe die gebratene Gans von der Platte fällt, die er mir am Fenster sichtlich stolz präsentiert. Ich halte den rechten Daumen nach oben. Ein Mann, der an einem Tag gleich mit zwei Gänsen fertig wird – Hut ab! Lassen sie uns im neuen Jahr ein Gläschen auf den weggeschnappten Parkplatz trinken. Das haben sie prima gemacht, Herr Meier-Müller! Sein Kopf weist nach links, in Richtung unseres Wohnzimmers, wo Olga und Karl meines formidablen Apéro-Gebäcks harren. Mein Nachbar zieht die dunklen Augenbrauen hoch und verschiebt die rechte Mundecke bis unter die Nasenspitze. Breit grinsend zucke ich mit den Schultern. Frau kann sich ihre Schwiegereltern nicht aussuchen, leider. Worauf er mir mit einem leeren Rotweinglas zuprostet und hinter der geöffneten Kühlschranktür verschwindet. «Ist alles in Ordnung, Kind?» «Aber ja, Olga. Ich bin gleich soweit. Mögt ihr lieber Wasser oder Saft?» «Für mich einen eisgekühlten Sherry. Und für Papa ein lauwarmes Bier. Ihr habt doch Weissbier, oder?» Sicher doch. Wir haben auch eine Haustür, die ich jederzeit öffnen und durch die ich euch raus befördern kann. Was ich übrigens ohne Skrupel tun würde, wenn ich nicht davon ausgehen müsste, dass Udo nach dem finalen Schnitt schnurstracks nach Hause kommt und mir eine unschöne Szene macht. «Udo macht die schönsten Blinddarmnähte, die es überhaupt nur gibt.» Das ist mir hinlänglich bekannt, Olga. Und ich weiss auch, dass Udo dein allerliebster und bester Sohn ist und dass du ihm nur die hübscheste, talentierteste und gefügigste aller Frauen wünschst. «Ich möchte doch nur, dass mein Junge glücklich wird.» Ich dachte eigentlich, er sei es – mit mir. «Unser Udo braucht neben seiner anstrengenden Arbeit viel Fürsorge.» Und ich? Bin ich denn niemand? Wer massiert hier wohl wem die Füsse – nach einem Vierzehn-Stunden-Tag? «Versteh mich nicht falsch, mein Kind, aber manchmal beklagt sich der Udo über dich.» Das sieht dem Skalpell schwingenden Muttersöhnchen mal wieder ähnlich! Wutentbrannt baue ich meine siebzig Kilos vor Olga auf und schmettere: «Was passt ihm denn nicht, deinem Milchlämmchen?» «Er …. Es …. Ach, Karl, sag halt auch mal was…» Doch diesmal schweigt Karl sich wohlweislich aus. Betreten schaut er auf den Haufen leerer Schokopapiere vor ihm auf dem Tisch. Für mein bevorstehendes Donnerwetter sauge ich sämtlichen verfügbaren Sauerstoff aus den Lungenbläschen. «Olga! Ich muss dir jetzt mal was sagen! Und zwar offen und ehrlich …» «Bitte, mein Kind, ich höre.» «… es hat geklingelt.» «Dann geh hin und öffne. Udo hat bestimmt seinen Schlüssel vergessen. Der arme Junge, muss am heiligen Abend noch arbeiten.» Ich denke nicht daran, ihn hereinzulassen. «Karl, dann mach du auf.» Und tatsächlich, Karl watschelt mit seinem Schokobauch davon. Zurück kommt er mit dem Weihnachtsmann im Schlepptau. Ob Udo den bestellt hat? Dieser Hang zum Kinderkäse ist typisch für ihn. Er ist ganz einfach nie erwachsen geworden. Wie auch, bei dieser Mutter? So, du Weissbart, wenn du schon mal hier bist, kannst gleich die olle Olga ins Kreuzverhör nehmen. Und mach’s ihr ja nicht zu leicht, denn sie ist eine glitschige Schlange im goldenen Engelskleid. Frag sie, zum Beispiel, weshalb sie immer dann Herzflimmern kriegt, wenn Udo und ich ein Wochenende wegfahren wollen. Oder sag ihr, dass es sich für eine Schwiegermutter nicht ziemt, am Sonntag morgen um halb sieben bei ihren Kindern zu klingeln, um nach einem «Tab» für die Spülmaschine zu fragen. Aber hallo! Der Weihnachtsmann scheint gar nicht daran zu denken, sich Olga und ihrem rabenschwarzen Gewissen anzunehmen. Viel mehr steuert er mit seinen dreckigen Waldschuhen geradewegs auf mich zu! Darf das der Weihnachtsmann? Ich meine, den eierschalenfarbenen Teppich verdrecken? Ich will den keuchenden Sackträger soeben freundlichst darauf aufmerksam machen, dass er wenigstens den Schnee vom roten Mantel hätte abschütteln können, da graben sich seine Pranken um meine Taille. Mein Körper schwebt – auf seiner rechten Schulter – aus dem Raum. Für Olga scheint der Zeitpunkt gekommen, um mit ihrem schwarzen Lackhandtäschchen auf den weihnächtlichen Boten einzudreschen. «Lassen sie meine Schwiegertochter runter! Haben sie gehört? Wenn sie nicht tun, was ich sage, werde ich mich bei ihrem Chef beschweren!» Patsch. Die Wohnzimmertür ist zu – und der Weihnachtsmann dreht von aussen auch noch den Schlüssel um. Olga hämmert gegen das furnierte Eichenholz. «Machen sie auf! Sofort! Mein Mann ist Polizist im Ruhestand!» Ich küsse meinen Erlöser aus lauter Dankbarkeit mitten auf den Mund. «Schnell, Udo, lass uns hier verschwinden!» Die Daunenjacke vom Ständer gerissen, folge ich ihm auf den verschneiten Vorplatz, wo er nach meiner Hand greift und mich über die matschige Fahrbahn auf die andere Strassenseite zieht. In einem mit hunderten von Teekerzen beleuchteten Treppenhaus fallen wir uns keuchend in die Arme. «Ich liebe dich!» Er presst den Zeigefinger auf seine Lippen und eilt die Treppe hoch. Im zweiten Stock öffnet er eine Tür. «Halt, Udo! Wir können da nicht einfach rein. Wer weiss, was hier für Leute wohnen …» «Ich!» Bart und Mütze sind ab. Es riecht nach Weihnachtsgans. «Sie?» «Nenn mich einfach Jörg.» Mein Blick wandert auf eine Menge Videokassetten. «Ich bin Filmkritiker.» «Ach, deshalb.» «Wie muss ich das verstehen?» «Na, weil Olga …» «Kein Wort über diese Olga! Ich kenne sie seit zwei Jahren. Wann immer ich während der Arbeit aus dem Fenster schaue, sehe ich sie im Nebenhaus mit ihrem Alten schimpfen…» «Und mich siehst du auch?» «Aber sicher doch! Du bist wunderschön und viel zu gut für deinen Verlobten. Deshalb habe ich mir auch erlaubt, ihn heute Abend kurz ins Krankenhaus zu bemühen. Er wird bestimmt bald zurück sein, weil der Blinddarm nämlich nichts anderes war als ein Fehlalarm. Danach kann er ja mit seinen geliebten Eltern noch den Lachs essen, den du heute aufgeschnitten hast…» «Ich muss jetzt gehen.» «Magst du keine knusprige Weihnachtsgans?» «Doch, aber …» Seine braunen Augen streicheln meine Wangen. Warum ist mir dieser Mann so vertraut? «Ein Glas Rotwein?» «Lieber nicht, ich habe schon eine ganze Flasche Champagner intus.» «Ich weiss.» «Du machst mir Angst.» «Weshalb? Weil ich dich aus ihren Klauen befreit habe? Das war längst überfällig! Ich konnte dich nicht mehr länger leiden sehen. Du hast einen Mann verdient, der dich liebt …» «… und mich vielleicht sogar auf seinen Schultern trägt?» Sein warmer Atem an meinem Ohr: «Wenn es dich nicht stört, dass dieser Mann nebenberuflich auch noch als Weihnachtsmann aktiv ist …» «…solange Weihnachten nur ein Mal im Jahr stattfindet, kann ich damit leben. Vorausgesetzt, ich muss am Heiligen Abend keine Schwiegermutter bekochen.» «Das bestimmt nicht. Meine Mutter lebt seit vielen Jahren in einem abgelegenen chinesischen Bergkloster und ist praktizierende Buddhistin.»

Aus „Fröhliche Weihnachten mit frechen Kerlen”
Verlag Kabel München, 2003 ISBN 3-8225-0642

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